Der Herr der Kutschen
Der Zwillingswagen ist in der liebevoll eingerichteten Heimatstube zu bewundern, die zum Bauernhof gehört. Die Bohms sind dort bereits in der 5. Generation zu Hause, Jürgen Bohm ist im Haus geboren. Er hängt am Hof und an seinen Tieren – einer Milchkuh, zwei Pferden, drei Schweinen, fünf Katzen, Enten und Hühner – und er ist gern Groß Schönebecker. Seine Heimat verlassen hat er nur während der Lehrzeit zum Nachrichtentechniker.
Der Wunsch nach einer eigenen Kutsche begleitet ihn durch seine Kindheit. Im Alter von 16 Jahren kann er sich endlich diesen Traum mit der Übernahme einer Kutsche vom Nachbarn erfüllen – und sammelt weiter. Als Ergebnis seiner Sammelleidenschaft kann der 62jährige heute rund 120 Kutschen, Schlitten und Ackerwagen sein Eigen nennen.
Wahrscheinlich wären es sogar noch mehr geworden, wenn es da nicht das Platzproblem gäbe. „Briefmarken wären einfacher gewesen“ bringt es Jürgen Bohm auf den Punkt.
Für seine Gefährte hat er inzwischen zusätzlich zwei benachbarte Scheunen erworben und ausgebaut.
Seine neueste Errungenschaft ist ein belgischer Milchwagen. Die ausgestellten Variationen reichen von der klassischen weißen Hochzeitskutsche über luxuriöse Coupés mit Zentralverriegelung, Jagd- und Landwagen bis hin zu einem schwarzen opulenten Leichenwagen und einem speziell ausgestatteten Feuerwehrwagen. Sie stammen aus unter anderem Deutschland, Ungarn, Österreich und auch aus den USA. Die älteste Kutsche ist stolze 170 Jahre alt und beachtlich gut in Schuss.
Die Hochzeitskutsche wird regelmäßig von Hochzeitspaaren gebucht, die sich in Groß Schönebeck im Jagdschloss Schorfheide oder in der Immanuelkirche das Jawort geben.
Ähnliche Vielseitigkeit zeigen die Schlitten, die die Kutschen und Wagen bei winterlichen Verhältnissen ersetzten. Eine Vielzahl alter landwirtschaftlicher Geräte bildet eine weitere Abteilung des kleinen privaten Museums.
Was Jürgen Bohm dabei sehr wichtig ist: Er hat seine Sammlung mit eigenen Mitteln und aus eigener Kraft aufgebaut und engagierte Helfer im Ort gewonnen. „Ich will keinen Verein, keine Stiftung und auch keine Fördermittel. Ich will einfach so weiter machen.“
Die Besucher, die auf den Hof kommen, sind begeistert. Und dankbar – bei Älteren kommen oft Kindheitserinnerungen hoch und es wird emotional.
Für Begeisterung nicht nur bei den Ortsansässigen sorgt das traditionelle Erntedankfest, das zentral auf dem Hof gefeiert wird.
Dann kann man sich in traditioneller landwirtschaftlicher Arbeit versuchen, zum Beispiel beim Korndreschen. Die eigene Ackerfläche bewirtschaftet Jürgen Bohm bis heute ganz „altmodisch“.
Als das macht er neben seiner täglichen Arbeit beim Bauhof der Gemeinde Schorfheide. Den nächsten Meilenstein will er am 1. Dezember 2024 setzen. „Dann geh' ich in den Ruhestand und werd hauptamtlicher Museumsdirektor!“
Bis dahin werden bestimmt noch einige Kutschen dazu kommen.
Bilder: Stefan Escher