Martin Melzow und Michael Puhr auf dem Steg des Strandbades am Werbellinsee
Ein Blick von der Flyerwand auf den Empfangstresen der Tourist-Info
Regionales Handwerk in der Tourist-Information in Groß Schönebeck

Zwei, die auszogen, um die *zeit zu finden

von Marcus Fitsch

Das seezeit-resort gehört zu den ambitioniertesten Tourismus-Projekten der Region. Auf einer Fläche von über 100 Hektar ist Platz für bis zu 1.200 Gäste - von der Schulklasse bis zum Individual-Urlauber. Martin Melzow und Michael Puhr lenken hier die Geschicke. Die Vision der beiden Brandenburger bestimmt nicht nur die Gegenwart und Zukunft der Ferienanlage. Sie beschäftigt sich auch mit der Frage: Wie umgehen mit ihrer Geschichte? Denn einst war das Areal direkt am Ufer des Werbellinsees eines der prestigeträchtigsten Freizeitobjekte der ehemaligen DDR.

Pionierrepublik Wilhelm Pieck, so hieß das Areal am Ostufer des Werbellinsees beinah 40 Jahre lang. Ein Name, weithin bekannt, über die Grenzen der Schorfheide hinaus. Die Pionierrepublik war nicht einfach nur ein Ferienlager, viel mehr das Ferienlager der DDR. Wer hierhergeschickt wurde, durfte sich glücklich schätzen. Denn den erwarteten Sommerferien der sozialistischen Extraklasse.
„Es gab hier alle Neuerungen der DDR und eine Menge Annehmlichkeiten, die man sonst oft vergeblich suchte. Farbfernseher, Telefone, ein eigenes Kino, eine Freilichtbühne.“ Gemütlich spazieren Martin Melzow und Michael Puhr an diesem sonnigen Herbstnachmittag durch ihr Reich. Die Hauptsaison ist gerade vorbei. Es ist ruhiger geworden, kein Vergleich mehr zum ausgelassenen Trubel, der hier im Hochsommer herrscht. 2021 traten die beiden im seezeit-resort, so heißt das Gelände heute, ihren Dienst an. Der eine als Betriebsleiter, der andere als Marketingchef. Ein eingespieltes Team, das merkt man sofort, wenn die beiden über ihre Arbeit sprechen. „Natürlich sind die alten Zeiten längst vorbei, aber wir fanden es immer wichtig, uns aktiv mit der Geschichte dieses Ortes auseinanderzusetzen. Es gibt von diesen alten Ferienlagern nur noch wenige, die so gut erhalten sind. Und darauf kann man aufbauen, auch wenn etwas Neues entstehen soll.“

Noch immer umweht ein Hauch Nostalgie, ein Hauch Vergangenheit den weitläufigen Ferienpark. Die ersten Gebäude, umgeben von idyllischer Natur, entstanden bereits in den 1950er-Jahren. Die meisten werden auch heute noch genutzt. „So gut wie alles, was hier gebaut wurde, steht unter Denkmalschutz. Das bringt vor allem in Sachen Umbaumaßnahmen natürlich jede Menge Herausforderungen mit sich, sorgt aber auch für einen ganz einzigartigen Charme“, erklärt Michael Puhr. Der Uckermärker arbeitete gerade in einer Schweizer Werbeagentur, als er auf eine Stellenanzeige stieß und sich kurzerhand bewarb. „Schon als ich das Gelände zum ersten Mal betrat, sprudelten die Ideen nur so aus mir heraus.“
Seitdem versuchen er und Martin Melzow das Objekt Schritt für Schritt zukunftsfähig zu machen. Das Kerngeschäft des Unternehmens soll dabei erhalten bleiben. Gruppenreisen, Schulfahrten, Ferienlager. Bei einer Kapazität von über 1200 Betten sei das nur konsequent, erklärt Martin Melzow, aber damit würde man eben noch lange nicht das volle Potential ausschöpfen. Immer mehr Individualtouristen finden ihren Weg ins seezeit-resort, Familien, vor allem aus dem nur 60 Kilometer entfernten Berlin, auf der Suche nach ein wenig Ruhe und Abwechslung vom lauten Großstadtalltag. Und: gerade wird der Bau eines neuen Tagungshotels geplant. Eine Reaktion auf die immer zahlreicher werdenden Anfragen von Firmen, hier in der Schorfheide Retreats und Seminare abzuhalten. Es ist viel in Bewegung.

Martin Melzow und Michael Puhr sind mittlerweile am Strandbad, einem absoluten Highlight ihrer Ferienanlage, angekommen. Vor ihnen erstreckt sich friedlich der Werbellinsee. Gerade an heißen Tagen tummeln sich hier unzählige Feriengäste.
Martin Melzow begleitet die ehemalige Pionierrepublik schon sein ganzes Leben, schließlich stammt er ganz aus der Nähe. Eigentlich wollte der Joachimsthaler gerade als Gastro-Coach durchstarten, als er abgeworben wurde und seine Pläne über den Haufen warf.
„Als ich meine Arbeit hier begann, war es den Eigentümern vor allem wichtig, dass ein schlüssiges Konzept entsteht“, erinnert sich Melzow. „Seit der Wende war hier einfach viel zu viel Unruhe drin.“ Wurde zu Ostzeiten noch Staatsmännern und Westdelegationen öffentlichkeitswirksam präsentiert, wie schön und erstrebenswert das Leben im Sozialismus war, hinterließen die Nachwendejahre auch hier deutliche Spuren. Alles, was zu sehr nach DDR aussah, sei entfernt worden, erzählt Melzow. Zwar sei der Betrieb nie zum Erliegen gekommen, es habe aber eben eine Vision gefehlt.

„Unser Wunsch für die Zukunft ist es, alles, was wir hier auf dem Gelände haben, auch wieder bewirtschaften zu können. Und bei der Menge an Gebäuden ist da ist noch jede Menge Luft nach oben“, erzählen die beiden am Ende ihres Rundgangs. Beinah 100 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in der Hochsaison, dann laufen auch die beiden Großküchen auf Vollbetrieb. Ziel sei es, auch in der Nebensaison mehr potentielle Gäste auf sich aufmerksam zu machen. Zum Beispiel mit individuellen Bildungsangeboten, als außerschulischer Lernort für Musik- oder Sprachkurse. Auch im Veranstaltungssektor wolle man sich breiter aufstellen. 2024 wurde mit dem COMM:UNITY ein Musikfestival auf dem Gelände ins Leben gerufen. Der Andrang war groß.

„Mit der Region Schorfheide befinden wir uns an einem Standort, der immer mehr Touristen anlockt, davon profitieren wir. Wir würden uns freuen, wenn die Region im Gegenzug auch von uns profitieren kann.“ Am Schluss verrät Martin Melzow noch ein kleines Geheimnis: „Um an die Geschichte der Pionierrepublik zu erinnern, entsteht hier bald ein kleines Museum. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass wir dafür auch die große Bronze-Statue von Wilhelm Pieck zurückbekommen, die einst hier auf dem Gelände stand.“ Der wird sich wundern, was in der Zwischenzeit hier alles passiert ist.

Bilder: Stefan Escher